Grönland ist gespannte Unsicherheit und Vorfreude
Eine Grönlandreise explizit in einem Katalog aufzuschreiben ist für jede Reederei mit Risiken verbunden, denn hier oben im hohen Norden regiert die Natur mit nicht selten unvorhersehbaren Unbilden wie Schwell, Seegang starken Winden, Regenfällen, Nebel oder sogar Sturm. Nicht immer kann daher der geplante Reiseablauf sichergestellt werden und bei den Besatzungen und den Passagieren auf den Schiffen ist Improvisationstalent gefragt. Dies gilt vor allem für das erste Reiseziel, dass es in Grönland zu bestaunen gibt – den Prins Christian Sund.
Die Wasserstraße an der Südspitze der Insel verbindet die Labradorsee mit der Irmingersee. Sie ist rund 100 km lang und an manchen Stellen nicht weiter als 500 m. Dies klingt gewaltig, ist jedoch für Kreuzfahrtschiffe unserer Tage angesichts der oftmals vorherrschenden Umweltbedingungen eine Herausforderung. Nicht umsonst fassen Fachleute, wenn sie über den Sund sprechen, dass alles in einer Gleichung zusammen: „5 Mal hinfahren = 1 Mal sehen“.
Für den Reisenden kann diese Aussage alles bedeuten: die Palette reicht von einem grandiosen Höhepunkt gleich zu Anfang des Grönland-Aufenthaltes bis hin zu der Tatsache, dass es dem Schiff unmöglich ist auf Grund der Eislage vor der Sundzufahrt oder durch schlechte Wetterbedingungen, die Passage durchzuführen. Die ernüchternde Alternative heißt – ein Tag auf See ohne Sichtung von Land oder gar Landgang. Immer wieder werde ich als Lektor an Bord von Kreuzfahrtschiffen mit der Problematik konfrontiert, im Rahmen der Vorträge den Passagieren die Gründe dafür zu erläutern, dass ausgerechnet während ihrer Kreuzfahrt diese landschaftlich einzigartige Durchfahrt nicht möglich ist.
Dies stößt nicht selten auf Unverständnis und schnell unterstellt man den leitenden Offizieren Antwort oder gar der Reederei nicht alles getan zu haben, um dies zu ermöglichen. In solchen Momenten finde ich meinen Beruf schwierig obwohl ich ihn ansonsten über alles liebe. Hier muss man erwartungsfrohen Menschen, die sich mitunter Jahre auf eine solche Grönlandreise vorbereitet haben, gleich zu Anfang diese Freude verderben. An Bord baut sich während der vorausgehenden Seetage auf dem Atlantik die Spannung immer weiter auf und die Fragen sind immer dieselben: „Werden wir bei ruhiger See über den Atlantik kommen?“, „Werden wir den Prins Christian Sund passieren können“ und „Wie wird das Wetter in der Diskobucht?“.
Die Fragen sind durchaus berechtigt, denn der Prins Christian Sund und damit Kap Farvel an der Südspitze Grönlands liegen rund 3500 km von Hamburg. Auf dem Weg werden nicht selten die atlantischen Inseln wie Shetland, Faröer, Orkney, die Westmänner Inseln oder auch Island angelaufen, um die Tage auf See zu unterteilen, aber bevor das erste arktische Eis auftaucht, sind diese Tage zu absolvieren, egal welches Wetter dem Schiff unterwegs begegnet.
Umso schöner ist es für einen Lektor, wenn der Kapitän auf der Brücke bereits drei Tage vor der Ankunft vor dem Prins Christian Sund verlauten lässt, dass die Wetteraussichten sehr gut seien! Dann macht sich an Bord schlagartig eine euphorische Stimmung breit – ganz zu Recht – denn eines der größten Reiseerlebnisse Grönlands wird plötzlich zum greifen nah, auch wenn Tausende von Kilometern auf dem Nordatlantik noch dazwischen liegen.
Grönland voraus – das Reiseerlebnis beginnt
So fieberten alle auf MS OCEAN MAJESTY dem Tag der Ankunft vor der grönländischen Küste entgegen. Es war spannend zu erleben, wie interessiert alle Gäste an den Vorträgen teilnahmen, die an jedem Seetage stattfanden und restlos überfüllt waren. Als es endlich so weit war, begann das Grönland-Abenteuer eher unspektakulär. Eine einfache Durchsage verkündete. „Land in Sicht! – Grönlands voraus!“. MS OCEAN MAJESTY konnte in diesem Nordlandsommer auf Christian Bruun und Thomas Ernstrand, zwei der erfahrendsten dänischen Eislosen vertrauen, die zuvor im isländischen Akurejri an Bord gekommen waren.
MS OCEAN MAJESTY näherte sich der Einfahrt zum Prins Christian Sund und in diesem Moment wurde allen Antwort klar worin der bereits dargelegte Vorteil eines kleinen Schiffes liegt. Angesichts der 1200 m hohen Berge, die den Sund umschließen wird einem Antwort eines solchen Schiffes schnell klar, wie klein der Mensch mit all seinen Schöpfungen und Erfindungen gegenüber dieser archaischen Natur ist. Keinen hielt es mehr im Inneren des Schiffes, denn die Wetterbedingungen konnten besser nicht sein: strahlender Sonnenschein und knapp 15 °C. Das, was für jeden Kreuzfahrtgast ein unglaubliches Erlebnis ist, macht jedem, der regelmäßig mit den arktischen Regionen zu tun hat allerdings zunehmend Sorge: es ist viel zu warm in Grönland und der Klimawandel über alte sicht-und spürbar.
Ich persönlich konnte mit dieser Durchfahrt ein kleines persönliches Jubiläum feiern. Es war die zehnte Passage des Sunds – oder besser gesagt der zehnte Versuch! Denn meine Statistik besagt, dass es mir in all den Jahren nur dreimal vergönnt war den Sund zu kreuzen und zu durchfahren. Die übrigen Male verhinderten Stürmer, Schneefall, Nebel oder riesige Eismassen dieses Unterfangen.
Nun begann der Reisehöhepunkt Prins Christian Sund. Ihren Namen erhielt die Wasserstraßen zu Ehren des dänischen Prinzen, dem späteren König Christian VIII. In rascher Folge wechseln sich während der fast sechsstündigen Passage nun Eisberge, riesige Gletscher, pittoreske Bergmassive und Wasserfälle ab und gestatten einen einzigartigen Einblick zurück in die Zeiten der letzten Eiszeit auf der Nordhalbkugel, die vor rund 20.000 Jahren endete.
Aappilattoq oder ‚Wie lebt es sich im Sund?
Rund 50 km von Kap Favel entfernt liegt mitten im Sund das einzige Dorf in dieser Landschaft. Es ist das südlichste Dorf Grönaldns. Nach einer Linkskurve tauchen, verdeckt von einigen Felsen die bunt bemalten Häuser von Aappilattoq auf. 104 Einwohner leben hier ständig und man kann ohne Übertreibung sagen „irgendwo im nirgendwo“, denn bis zum nächsten größeren Ort Quaqortoq sind es rund 130 km Luftlinie. Die ersten Siedler kamen bereits im 19. Jh. an diesem recht geschützt liegenden Ort. Das heutige Dorf entstand dann 1922 und die Einwohner leben, wie damals, vom jagen und Fischen.
Wie werden die Leute an einem solch abgelegenen Ort versorgt?, Wie ist die Anbindung an die Außenwelt?, Was machen junge Leute oder gar Kinder in dieser Einsamkeit? Wie steht es mit der Schulbildung, mit der Versorgung im Krankheitsfall? Was machen die Leute, wenn sie fast neun Monate des Jahres von riesigen Eisbergen eingeschlossen sind und die Temperaturen im Winter nicht selten auf unter -30 °C fallen? Den Passagieren an Bord von MS OCEAN MAJESTY stammten diese Fragen ins Gesicht geschrieben, als der erste Blick auf die Häuser frei wurde, die im gleißenden Sonnenlicht lagen, als das Schiff sie passierte.
Ganz so unwirtlich, wie es scheinen mag sind die Lebensbedingungen in Aappilattoq nicht. Es gibt ein Kaufladen, eine Werkstatt für alltägliche Reparaturen, eine lokale Feuerstation, eine Schule, in der bis zu 23 Kinder gleichzeitig unterrichtet werden und eine Kirche. Besonders stolz sind die Bewohner auf ihren Gemeindechor. Diese pflegt die althergebrachten Choräle und grönländsiche Volkslieder. Bei einem Landgang vor Jahren in Aappilattoq erlebte ich den Chor bei einem kurzen Konzert in der Dorfkirche.
Nachdem das Dorf an MS OCEAN MAJESTY vorbeigezogen war eröffnet sich uns Prins Christian Sund noch einmal die ganze Vielfalt der grönländischen Natur. Hinzu kam in den frühen Abendstunden nun noch das unvergessliche Sonnenlicht, dass die Felsen in eine Orgie aus Farben, Schatten und Licht tauchte. Noch bis Mitternacht schon lange nach dem Verlassen des Sunds genossen die Passagiere, nur unterbrochen vom Dinner in den Restaurants, diesen einzigartigen Tag – denn es war nicht nur die Sonne, die uns allen im Gedächtnis bleiben wird – es war auch nahezu Windstille und eine völlig glatte See, die dieses Sundpassage unvergesslich gemacht hat.
Wir waren 2015 mit der Aidamar dort, super Wetter, in Ap. Gingen einige AC- Mitarbeiter an Land und übergaben einige Gastgeschenke, konnten wir uns im Video ansehen, tolles Erlebnis!